„In Augenkontakt mit den Dingen sein, für die ich Wörter zu sammeln versuche.“
Christoph Wilhelm Aigner
"Die Krähe
fürchtet die Krähe nicht
aber der Mensch
ist des Menschen
bangste Begegnung."
Hilde Domin
„Wer mein Schweigen nicht annimmt, dem habe ich nichts zu sagen.“
Wolfgang Bächler
„Wir sehen fast glücklich aus in der Sonne, während wir verbluten aus
Wunden, von denen wir nicht wissen.“
Tomas Tranströmer
„Ich trete in dem Moment ans Licht in dem ich mich selbst als Frage definiere“.
Haris Vlavianos
Die Frau in Schwarz (28.10.2024)
Als sie den Saal betritt scheinen die Seelen der Anwesenden
auf Zeitlupe zu stehen, fällt ihre Hautfarbe ins Grau und ich lerne,
dass Schwarz leuchten kann. Die scharf geschnittenen Züge
ihres Gesichtes sondieren den Raum, stehen in Symbiose mit
den sanft geschwungenen Konturen ihrer Silhouette. Das dunkle,
schulterlange Haar beherrscht die Eleganz ihrer Anwesenheit.
Im Näherkommen spüre ich die Anziehungskraft ihrer Welt.
Die Kühle ihrer Bewegungen schwingt sich durch meine Zellen,
zieht über meine Haut, wie der Hauch einer Fingerspitze und
schreibt mit jedem Schritt Poesie auf den Boden der Gegenwart.
Ihre Erscheinung hält meiner Sprachlosigkeit den Spiegel vor, offenbart
die Unfähigkeit meiner noch jungen Worte und die Blässe meiner Klangbilder.
Befreiungsschlag (28.10.2024)
Wie ein Befreiungsschlag für zvilisationsbetäubte Ohren
schallen Trompeten durch die Stille der Gedankenruinen,
lassen den Moment vibrieren und das charaktervolle
Herbstlaub aufgeregt flüstern. Das Herzradar steht auf ON
sucht im Azur nach den gefiederten Bläsern, verstummt
im Angesicht der geometrischen Perfektion ihrer Gemeinschaft.
Ihr schwerelos anmutender Flug unterstreicht die Schönheit
einer sonnenverwöhnten Oktoberlandschaft. Die ruhigen
Schläge ihrer weiten Schwingen tragen die Sehnsucht
auf ihren Schultern, verlängern – die Existenz der Sekunden.
Fragile Gebilde (24.10.2024)
Auf den ausgetrockneten Seiten klangvoller Jahre
liegen die Bindeglieder der Koexistenz, verletzlich
wie gefallenes Herbstlaub. Irren durch den Atem
der Welt, ohne Immunsystem. In dem reißenden Strom
der Zeit versuchen sie ihre Integrität zu bewahren,
während sie auf ihren Schultern die Last ihrer Bedeutungen
tragen. Wie können sie bestehen, wenn sie unentwegt
wandeln auf dem schmalen Grat zwischen Licht und
Dunkelheit, ohne jemals den Halt liebevoller Berührungen
zu spüren? Münder – nichts als Schrecksekunden auf der
Filmrolle des Universums, während die Worte leichtfertig
ihren Platz einnehmen – neben der Unsterblichkeit.
Widerstandslose Sekunden (22.10.2024)
Die Vorsicht blickt in das Gesicht einer verbotenen Gegenwart, hält die
Seiten süßer Erinnerungen verschlossen. Vorsichtig versucht sie die Silhouette
unter dem anwesenden Gefieder zu formulieren, während der Wind an den
Grenzen nicht greifbarer Sekunden zerrt. Dann einer Vorahnung gleich
tragen Wellenrücken die Fragmente einer nie versiegten Sehnsucht zu den
wiederholungsmüden Zellen, flüstern von Neugier. Unablässig rhythmisch
schlägt die See geformte Botschaft an die spröden Mauern der Vernunft,
erhebt sich zum Rauschen, untergräbt ihr Fundament mit dem Mantra der
Versuchung. Kraftlos ergibt sich das angeschlagene Bollwerk, öffnet der
Vorstellungskraft das Tor, die mit geschickten Fingern auf den verstaubten
Herzfasersaiten spielt. Der Wind ergreift die Melodie, besteigt das Podest und
erweckt sein Pheromon besetztes Orchester, setzt an zu einem salzgetränkten
Crescendo. Richtungsweisend hebt er die Hand, streicht provozierend vorbei
an den dürstenden Wangen zu den unschuldigen Federn, die wie Locken
verspielt unter seiner Berührung tanzen und der ungeübten Iris ein neues
verführerisches Weiß präsentieren. Unter der hellblauen Dominanz des
Momentes flattern die Augenlider wie Fahnen im Sturm, versuchen die
aufblitzenden Realitätssplitter zu einem Abbild der Wahrheit zu formen.
Doch der Funke ist unwiderruflich entzündet und die Revolution der Hormone,
hat ihren Marsch auf die letzten standhaften Neuronen begonnen. Der Klang
ihrer Schritte hallt bis in die tiefsten Winkel lang vergessener Fasern, verwischt
die Konturen auf der Leinwand der Wahrnehmung. Und während das Publikum
bereits die Zugabe fordert, ist der Wind schon lange gegangen, treibt auf dem
Meer ein Name aus gebrochenen Federn und das Leben hinterlässt im Sand –
ein ungelesenes Postskriptum.
Auf meinem Gesicht (18.10.2024)
Ein Liebesgedicht an die Sehnsucht
Die Haut des Flusses erliegt den Anspielungen der Sonne,
vibriert unter ihren Verführungskünsten. Eng umschlungen
tanzen sich beide in die Bedeutsamkeit, füllen die Zellen
der Gegenwart mit dankbaren Bildern. Auf meinem Gesicht
liegt ihr goldener Zuspruch, buchstabiert Zärtlichkeit wie eine
erste unsichere Berührung, drückt mich vorsichtig in die
Zuneigung der Stadt und befreit den Atem der Erinnerung.
Schulter an Schulter liegen die verträumten Segler in der
sanften Stimmung. Ihre hölzernen Wangen glühen unter
der Intimität des Moments, fluten die Herzkammerspeicher –
mit lebensbejahender Sehnsucht.
Der offene Blick (12.10.2024) eine Verneigung vor Elisabeth Oltzen
Emporgehoben
aus dem Überfluss
erläutern offene Blicke
den Unterschied zwischen
HABEN und SEIN.
Herzleinwände (12.10.2024) eine Verneigung vor Elisabeth Oltzen
Der nächtliche Weg durch
die farbenverträumte Stadt
füllt meine Herzleinwände
mit Bildern der Bedeutsamkeit.
Vom Schlendern (10.10.2024)
Heute sind die Schritte lichtdurchflutet,
erheben Anspruch auf die Gegenwart.
Die Iris blickt Azur getränkt und die Haut
atmet herbstlich süße Endlichkeit.
Farben weichen überall den Stunden,
unausweichlich klingt ihr müder Fall.
Und während sie sich zur Ruhe legen,
bleibt dankbar nur ihr schwerer Duft.
Heute erinnern sich die Kammern
der Wahrheit hinter all den Formen
in Demut neigt sich still das Haupt
dankbar für jeden ihrer Atemzüge.
In den Straßen der Zwischenmenschlichkeit stolziert
ein neues ICH. Sein unablässiger Tanz auf der Oberfläche
ist der Treibsand für die Wahrnehmung, nagt an den
Wurzeln der Realität. In seinem Glashaus erschafft es
Welten aus bedeutungslosen Farben, verliert sich
in einer seelenlosen Schönheit, in der das Spiegelbild
jede Frage mit ja beantwortet. So verstreichen die Sekunden
unwiderruflich, in denen der Kern verkümmert, bis auch der
hellste Glanz sein Wesen – nicht mehr zu verbergen mag.
Die vergessenen Worte (04.10.2024)
Sind die Menschen taub geworden?
Der Atem unserer Gegenwart ist gefüllt mit
dem klaren Echo fundamentaler Worte. Doch
ungehört verhallen sie neben den mutierten
Geräuschen zu lauter Großstadtmelodien.
Sind die Menschen blind geworden?
Die Wege der Menschlichkeit sind gepflastert
mit der gemeißelten Stabilität ewiger Gedanken.
Doch achtlos werden sie umgangen, verstauben
in dem Schicksal dekorativer Platzhalter.
So verliert die Weisheit ihre Substanz in den Winkeln
unzähliger Realitäten und während sich der Glanz
der Wahrheit kraftlos den übersättigten Lichtern ergibt,
bleibt doch die Hoffnung, dass die Worte eines Tages
auferstehen und – die Schwerter ersetzen.
Atemübungen (22.09.2024)
Die Aorta der Stadt ist gefüllt mit emsiger Konformität und dem
unablässigen, monotonen Surren ungefilterter Gedanken. Doch
abseits des Stroms führen die alten Gassen und Giebel einen
Dialog mit dem Schweigen, bemühen sich um Wahrheit. Der Staub
der Gegenwart liegt dicht auf den Lungenflügeln meiner Empfindungen.
Zielgerichtet lenken sie die Schritte aus der steinernen Umarmung,
führen zu den Ankerplätzen frei zugänglicher Inspirationen. Dort stehen,
wie unbesetzte Stühle in einem leeren Zimmer die arbeitslosen Hafenkräne
in ihrer Vergangenheit – Spiegelbilder eines unfreiwilligen Weges.
Die Schönheit ihrer in sich ruhenden Individualität liest sich wie eine
Anleitung für Atemübungen. Dazu die alten Segler unbeachtet wie eine
Anthologie hölzerner Märchen. Die Dichte ihrer Geschichten erdet
die unsteten Neuronen. Hört man genau zu, kann man die tiefen
Atemzüge ihrer Jahre vernehmen, spüren, wie sie die Lungen füllen –
mit der Klarheit frisch gelüfteter Bilder.
Die früh morgendlichen Fußspuren der Sonne hinterlassen
eine Zärtlichkeit auf der Haut des Uferweges, verändern
den Rhythmus der Schritte. Ihre Geschichten aus Licht und
Schatten erhöhen die Sekundenzahl der Stunden, erzählen
das Märchen der Bedeutungslosigkeit. Noch bewahren
sich die Bäume ihre Erinnerungen an den Sommer, ziehen
letzte Inspirationen aus der gefälligen Septemberwärme
für den kommenden Abschied und das aufkeimende Dunkel.
Wieder einmal liegt eine neue Ruhe im Licht. Sie wird begleitet
von einem nachdenklichen Unterton, der mit seiner Zurückhaltung
der Stadt mehr Zeit einräumt, zu erwachen und zu lauschen –
den unwiderlegbaren Argumenten des Lebens.
Die Haut der Steine (16.09.2024)
In der Auferstehung liegt etwas Reines, etwas Ehrliches. Doch
der Kampf um die neue Stimme ist auch Nährboden für Schatten
und ihren schmalen Grat in die Kälte. Sie wachsen, wenn Wunden
die Haut der Steine annehmen, die Sprache zum Strudel ihres Selbst
wird und das Bewusstsein sich ins Zentrum des Universums verschiebt.
So weitet sich der Raum zwischen den Wörtern, öffnet das Bodenlose
und die Wärme stürzt in den tonlosen Raum – bevor sie zur Rückkehr ruft.
Das Urteil (13.09.2024)
Mit weit aufgerissenen Augen verstummt das
ambivalente Satzzeichen, als der Richterspruch
den vernebelten Saal mit seiner Klarheit durchbricht.
Die Spuren in den einst blühenden Wiesen, die
das Verfahren hinterlässt, sind nicht zu übersehen.
Tiefe und breite Furchen, die den fruchtbaren Boden
verdichten. Selbst der Eine schien sich zu verlieren,
als aus dem Nichts ein Nebenkläger die Bühne betrat.
Doch das Urteil ist gesprochen und es heißt Zukunft.
Wird sich das Blut erholen von der Übersäuerung
der Vorwürfe? Wird es Erneuerung geben für die
letzten Bruchstücke des Mosaiks, die den ständigen
Steinwürfen standhielten? Die Teer befleckten Hände
sind gesäubert, doch die Kammern sind gefüllt mit
dem bitteren Nachgeschmack zu schneller Worte.
Falsch verstandene Symbiose (12.09.2024)
Wieder einmal führt mich der Kanal an der kurzen Leine,
bleibt seiner Linie treu – stringent, immer geradeaus
und während die Zivilisation durch Abwesenheit glänzt,
haften sich letzte Banalitäten an meine Großhirnrinde.
Der erste Kontakt mit einer verwitterten Existenz rückt
die Gegenwart in ein neues Licht, zeigt akrobatische
Wetterboten, die unbeschwert ihre Spiegelbilder jagen.
Ihr hypnotisches Spiel verlangsamt das übersäuerte Blut.
Die schuppige Gleichgültigkeit saugt sich Köstlichkeiten
aus dem Abbild des Himmels, während ein halsloser Segler
mir die Thermik beweist. In bodennaher Leichtigkeit sondiert
er das kulinarische Angebot. Beim Lösen der Betrachtungen
bleibt alles Überflüssige hängen an dem unscheinbaren
Refugium und der erneute Weg, er scheint bergab zu führen.
Immer wieder öffnet sich die Vergangenheit, zeigt ein Land
vor unserer Zeit, als die Bedeutsamkeit noch keine Rivalen hatte.
Ihr Besuch lässt die Assimilation voranschreiten. Mit stoischer
Ruhe praktizieren Langhörner die meditative Gegenwart, das
Mahlen der Kiefer als Gegenstand ihrer Existenz und über mir
zentriert eine Königsweihe den überbevölkerten Blick, die Sonne
im Gefieder schreibt sie die Sehnsucht in das Blau und
gebetsmühlenartig flüstert das rhetorisch begabte Schilf –
wer braucht hier wen?
Wo bleibt der Blick zurück? (09.09.2024)
Spät sind wir dran, laufen fast schon völlig selbstverständlich
dem eigenen Loblied hinterher. Schnell waren wir nur im
Errichten der Eitelkeiten. Immer größer haben wir sie gebaut,
uns die Sicht versperrt. Haben sie mit mehr Glanz überzogen
und so das eigene Sehen verbrannt. An den Grenzen unserer
selbst konstruierten Welten hängen die Worte der anderen
im Stacheldraht, bluten ihre Bedeutung in den gerodeten
Waldboden. Trotz der fortschreitenden Unfähigkeit unserer
Ohren zerstückeln wir weiter die Möglichkeiten der Sprache,
zerstören ihre Schönheit, die sanften Hügel ihrer heilenden
Idylle. Ohne zurückzuschauen flogen wir die Leiter hoch,
setzten uns die Krone auf, während am Boden
die Herzen kauerten. Könnten die Tiere lachen – wir würden
die Schreie der Überlebenden nicht hören.
Das zwischenmenschliche Drahtseil (07.09.2024)
Der langsame Verfall der Stille hat begonnen, denn
ihre Antworten sind schonungslos, stellen die Existenz
infrage. Belanglosigkeit füllt die Stundengläser aus Angst
vor ihrer Stimme und der Wahrheit leiser Sekunden. Ihre
Abwesenheit spannt unaufhörlich das zwischenmenschliche
Drahtseil, stellt seine Festigkeit auf die Probe. Und so bluten
wir weiter aus der Vergangenheit, die im Nebel kauert, uns
an das Flächenland kettet, während das Spiegelglas
immer mehr an Glanz verliert. Doch wer frei von Schmerz ist,
der schreibe ein unsterbliches Gedicht, berichte der Welt
von der Zusammenführung der Teile. Der Rest wird verraten durch
die Höhe seines Lachens und der Lautstärke seiner Sätze. Denn
nichts als Wissen bedeutet nichts zu wissen, solange die Erlösung
wieder und wieder über den Horizont stolpert und die Tür –
in die nächste Dimension verschlossen bleibt.
Die Kuppel (01.09.2024)
oder die Hand in der Ferne
Die Welt verschwimmt unter der Kuppel der Sterilität.
Bereits nach wenigen Stunden verlässt das letzte Individuum
die Gefilde des Greifbaren, fällt in die Gleichförmigkeit.
In der Dämmerung des Bewusstseins schlägt die Tür unaufhörlich.
Stimmen ziehen durch die Wahrnehmung, deren Echtheit
die letzten Fragmente der Sinne auf die Probe stellen.
Durch die Flure hallen die digitalisierten Rufe hilfloser Nummern
und das roboterhafte Atmen einer Silhouette wird zum Mantra
des Wunsches nach Auferstehung – füllt die Sekunden.
Die geöffneten Hände prallen ab an dem leblosen Körper
eines vernebelten Versprechens, verlieren ihren Halt. Der bittere
Nachgeschmack ergießt sich in die tiefsten Winkel der Existenz.
Und als der Abschied das Gepäck schultert, öffnen sich die Flügel
und der erste Schritt hinaus aus der Kuppel beendet das Mantra.
Dickflüssiger Montag
(15.08.2024)
Meine Blicke hängen sich an die träge Saat der Bäume.
Auf dem Weg ihrer Bestimmung verlieren sie den
luftigen Weg, folgen dem Gemütszustand des Tages.
Wolken, flach und langgezogen, schleichen unmotiviert
über einen selbstvergessenen Himmel, ihr Schauspiel
verlangsamt die Arbeit der Synapsen. Einzelne gedämpfte
Vogelstimmen halten das Spiel am Laufen und von der
benachbarten Straße klingen die Autos gequält, als pfeifen
sie aus dem letzten Rohr. Aus meinem Frontallappen tropft
zäher Buchstabenhonig, klebt meine Motivation an den
Grundriss des Balkons und in den Straßen liegt das Leben
scheinbar ausgelaugt, wie nach einer durchzechten Nacht.
Im Stillen zählt der Montag seine Sekunden – wartet
auf die lang ersehnte Ablösung.
Uneigennütziger Sommer (14.08.2024)
Den Gedanken freien Lauf lassend liegt der Abend
weit ausgestreckt in einer widerstandslosen Stadt.
Der Sommer hat zum Stelldichein geladen, nutzt die
Gunst der Stunde, um die Gefühle winterfest zu machen.
Selbstverliebt streift er durch die Parks, in denen sich bereits
die verstreuten Intimitätsoasen seiner Sprache ergeben.
Wer sie annimmt, kann sehen wie er neben den aus Lippen
geformten Träumen liegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt
und dem Klang der Berührung lauscht. Verschmitzt lächelnd
träufelt der Hofnarr des Lebens seinen Herzschlag auf ihre Lider
in der Hoffnung, sein Zauber möge seine Abwesenheit überdauern
und nicht enden – als saisonales flüchtiges Flackern.
Und wieder einmal flüstert der Sommer ganz uneigennützig
seine verloren gegangene Botschaft in die Ohren der Zukunft.
Kopflastige Überdosis (07.08.2024)
In dem Hinterfragen des eigenen Denkens
liegt die Unversehrtheit seelischer Weite
und der Schlüssel für die Tür zum Wahn.
Wie kann ich dann dem Licht vertrauen,
der Leuchtfeuer, die ich selbst entzünde?
So füllt mein starres Nichtsein unaufhörlich
den Raum zwischen Existenz und Horizont.
Und die Klinge meines Sehens, sie wird müde,
vermag der Hydra kaum mehr zu trotzen,
die den Weg versperrt in das tiefe Blau.
Wie ich ihn vermisse, den stummen Dialog
in langen Nächten mit vertrauten Sternen.
Ihre Antworten, sie blieben niemals fern
genau die, die ich niemals hören wollte.
Unter der Stille (05.08.2024)
Im Erschaffen der Verse liegt eine Stille,
sie füllt meine Sehnsucht mit ihrer lautlosen Sprache.
Doch ist sie verhallt, folgt der Hunger nach mehr
und die Frage nach einer Existenz unterhalb ihrer Weite.
Mit weit ausgestreckten Armen liege ich rücklings
auf dem kleinen Refugium, treibe in der Güte des Wassers.
Die Blicke verlieren den Halt im Azur, folgen der Sehnsucht des Ikarus
und ich falle in die Antwort, falle in die Tiefe einer neuen Sprache.
Mein Beitrag (22.07.2024)
In meinem Hirn tummeln sich die Reize
wie Touristen in überfüllten Einkaufsstraßen,
blockieren meine Sicht, mein Gespür
wie die Schnäppchenjäger die Wühltische
in der letzten Phase eines Schlussverkaufs
und auf der Leinwand explodieren die Bilder
in einem Blitzlichtgewitter, bevor die Farben
ihren Sinn und ihre Schönheit entfalten.
Die Neurotransmitter machen Überstunden,
stauen sich an der Mautstation der Synapsen,
die verständnislos die weiße Flagge hissen und
für die Erweiterung der Bahnen demonstrieren.
Bleibt zu hoffen, dass die emsigen kleinen Bienen
ohne Gewerkschaft niemals den Streik für sich
entdecken – wer sollte sie beschwichtigen?
Das Gehör erzittert, windet sich unter dem
unaufhörlichen Ansturm flacher Wirklichkeiten.
Gleich einem Sandsturm schneidet sich ihr Ton
durch die Haut meiner Empfindungen, hängt sich
wie ein Parasit an die zwischenmenschlichen Fasern.
Nun lassen sie sich einmal kurz verführen, ja
in die Arme schließen von der folgenden
Vorstellung: Das Leben – ist ein Sommerkleid.
Wie angenehm leicht, geradezu lächelnd trägt
sich nunmehr der Alltag. Das beschwingt luftige
Wesen verhindert das Überhitzen der Gemüter,
hebt ihre Gedanken über die Mauern einer
grobmaschigen, monochromen Welt. Seine weiche,
fein gewebte Umarmung stimuliert die Zellen,
macht sie empfänglich für Nähe und Berührung
und die fröhlich schwebenden Farben und Muster
veröden den Zugang zur Gier, öffnen den Blick
für die Bedeutung und den Wert der Schönheit.
Das Leben ein Sommerkleid – mein Beitrag
zum Weltfrieden, dazu die Luft verwoben
mit einem Hauch von knisternder Intimität
und im Glas das sexy Gewand
eines sinnlichen Rosés.
Der Eine – Aufziehende Kreise
(11.07.2024)
In den wenigen windstillen Momenten,
da die Akteure in ihren stillen Kammern
ihre viel kritisierten Rollen optimieren,
dringt der verlorene Ruf der Gegenwart
an mein bühnenerprobtes Gehör,
dann schimmert schwach der Pfad
zum Ufer ihrer wartenden Erkenntnis
durch das wuchernde Gedankendickicht.
Vorsichtig folge ich meinen alten Spuren
nicht zu schnell, sie nicht zu verschrecken,
bis ihre Anwesenheit meine Füße benetzt.
Ein letzter prüfender Blick in die Wipfel,
dann betrachte ich die Quelle der Achtsamkeit,
schaue hellwach auf die gelebten Jahre,
dem Spiegelbild bewegter Erinnerungen,
hoffend, dass sich ein Name offenbart.
Doch bevor er die Oberfläche durchdringt,
er zur Wahrheit wird, frischt der Wind auf,
belebt die Gestade und es fällt ein Stein.
Seine aufziehenden Kreise verzerren
das Gesicht, verwischen den Pfad und
das Ende eines weitverzweigten Weges.
Im Hintergrund – der Eine jongliert
im Clownskostüm mit vertrauten Bildern.
Seine stummen traurigen Lippen formen
die schon lang erahnte Antwort und
vor ihm türmen sich wartend die Kiesel.
Der Eine – Der ewige Roman (06.07.2024)
Und der Eine – der aus sich selbst agiert
er tritt diese Tage ins Licht und schweigt.
Er – der einer unter vielen und doch alle ist
Er – der zwischen den Gedanken spricht,
betrachtet den Richterspruch und schreibt
an der Fortsetzung seines ewigen Romans.
Das Gewicht seiner Werke liegt schwer
in den verzweigten Regalen unserer Jahre
und ein Beben erfasst die fragile Struktur
fügt er ungefragt einen neuen Band hinzu.
Die Übersetzung seiner Sprache fordert viel
von dem Sand in meinem Stundenglas,
denn die Quelle seiner Feder – sie versiegt nie
tränkt das gierige Papier ohne Unterlass.
Und scheinbar unbeschadet hat die Kraft
seines Wirkens die Zeit wohl überdauert,
doch seine Stille formuliert Veränderung –
zeigt einen Hauch von Wir in seinem Blick.
Und die neuen Zeilen legen sich wie Finger
auf die tiefe Landkarte meines Lebens
und die Schwere seiner ersten Berührung
entblättert Nacktheit – ein neues Gesicht.
Das Weiß der Blüte (02.07.2024)
Auf der Suche nach einem sicheren Ufer
schwimmen die Gedankenfetzen
durch ein Meer toter Sekunden.
In der Ferne immer wieder – das Edellieschen.
Seine Vollkommenheit füllt den Balkon,
befeuert das Verlangen nach Antwort.
Das Weiß der in sich ruhenden Blüten
formuliert den stummen Wunsch
einer Schatten befleckten Gegenwart.
Dehnbarkeit des Nichts (15.06.2024)
Der Blick durch die Balkontüren steht still
addiert die Befindlichkeit der Bäume.
Unter der Aufdringlichkeit des Regens
lassen sie ihre Schultern hängen.
Die Gravitation des Sofas hat zugenommen,
zieht meine Sicht in die Schwere der Polster
und meine Jahresringe auseinander.
Hinter der regengetrübten Iris
schwirren Worte wie Fliegen um das Aas.
Ihr fortwährendes monotones Surren
verhindert den Fokus aufkeimender Bilder.
Der Mangel an Bedeutung legt sich
wie ein Schleier über die Fragmente der Welt.
Aus den Bücherregalen tönt das Schweigen.
Die Teilnahmslosigkeit ihrer Bewohner spricht Bände.
In der Unordnung meiner Möglichkeiten
nicht die kleinste Spur eines Lesezeichens
und die Leere des Blattes beansprucht
für sich die Gegenwart.
Leere Seiten (08.06.2024)
Im Hintergrund der Bühne
hängen die Rollen der Akteure
aufgereiht wie vergessene Anzüge
einer geschlossenen Wäscherei.
Die Zeigefinger der Intendanten
schreiben ihre Erwartungen in den Raum,
wie Absperrband ziehen sie sich
um die knarrenden Dielen.
In einer Ecke, der Eine
sucht nach seinem Text,
doch die Teer befleckten Hände
ziehen nichts als leere Seiten
aus den ausgebeulten Taschen.
Eine Sekunde hat 60 Minuten
und auf den Telepromptern
blinkt tempus fugit.
Im Gewühl der Jahrzehnte
(04.06.2024)
Das süße Pendel der Weiblichkeit
schwingt sich durch die Klarheit
einer lichtdurchfluteten Idylle.
Vertraute Worte schmiegen sich
in verspielt zärtlichen Berührungen
an die Erinnerungen der Konturen.
Worte in ihrer unbeschwerten Jugend
frei von dem Gewicht eines Lebens.
Mit stummer Last greift die Sehnsucht
nach der flüchtigen Intimität,
doch das Pendel treibt die Zeit
und so rinnen ihr die Worte durch
die Schwere der geöffneten Finger.
In der Stille des Zimmers
(30.05.2024)
In der Stille des Zimmers
entstehen Welten
abseits alles Irdischen,
kämpfen unbewusst
um den Erhalt
der kindlichen Seele.
Sie lacht, versteht noch nicht,
wie das Laub fällt
und den schmalen Pfad bedeckt.
Jahrzehnte später entstehen
in der Stille des Zimmers
Welten abseits alles Irdischen …
Dort, wo die Mannschaft
das Spiel am Laufen hält,
legt der Unparteiische
die Regeln auf die Goldwaage.
Ich warte auf die Einwechslung,
denn die Anzeigetafel steht noch
auf unentschieden.
Und in der Ferne stand ein Leben (29.05.2024)
In den vielen Sommernächten lauschte
die alte Eiche der unausgesprochenen Zukunft,
erträumte in stummen Versen die Unversehrtheit,
umarmte mit weit ausladenden Ästen das Refugium.
… und in der Ferne stand ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weinte.
Deine Augen suchten unter der Haut
nach der Formel für bedingungslose Intimität.
Deine Fingerspitzen verfehlten das Tor der Zellen,
stießen auf nackte Worte, lösten nicht die Gleichung.
… und in der Ferne stand ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weinte.
Das Lied blickt zurück auf ein Leben,
dem Anfang eines Kampfes um Ursprung,
pulsiert um die ungefüllten Stellen des Rätsels
brennt sich süß und heiß durch die dürren Fasern.
… und in der Ferne steht ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weint.
Und jetzt ist alles (29.05.2024)
Die Räume deines Herzens sind gefüllt
mit dem Rausch verlorener Berührungen
mach es frei – denn jetzt ist einfach alles.
Und jeder Zentimeter deiner Haut zeigt,
die Entscheidungen pulsierender Momente
berühre sie – denn jetzt ist einfach alles.
Die Furchen in den Feldern der Erinnerung,
sie sind tief und der Grund weich vom Blut
fülle sie – denn jetzt ist und bleibt einfach alles.
Fragen zur Rotation (29.05.2024)
Sind das Silber und Gold
nur noch billige Legierungen
einer inflationären Verständigung?
Betrachtet man ihren aktuellen Kurs,
bleibt der Gewinn allmählich aus.
Wenn weniger mehr ist,
warum nicht in diese Aktie investieren?
Und wenn das Ganze mehr ist
als die Summe seiner Teile,
warum bleiben so viel Areale ungefüllt?
Die Fragen verblassen
in der unaufhörlichen Dominanz
der Rotation.
Spurensuche (26.05.2024)
Inspiriert durch Jacques Dulon
Da liegen die ausgedörrten Felder
beraubt der Erinnerung
an überschwängliche Ernten.
Unaufhörlich zieht die Feder
durch die trockene Erde,
lockert den Grund auf der Suche
nach überlebendem Saatgut,
einem Zeichen der Fruchtbarkeit.
Doch die Erde bewahrt das Blut
und die Feder verliert ihren Schliff
an den achtlos zurückgelassenen
Gesteinsbrocken.