Jörg Nath


 „In Augenkontakt mit den Dingen sein, für die ich Wörter zu sammeln versuche.“

                                                                                                        Christoph Wilhelm Aigner

 

"Die Krähe

fürchtet die Krähe nicht

aber der Mensch

ist des Menschen

bangste Begegnung."

                                               Hilde Domin

 

 

                                                                       „Wer mein Schweigen nicht annimmt, dem habe ich nichts zu sagen.“

                                                                                                                                                                      Wolfgang Bächler

 

„Wir sehen fast glücklich aus in der Sonne, während wir verbluten aus

 Wunden, von denen wir nicht wissen.“

Tomas Tranströmer

 

 

                                                    „Ich trete in dem Moment ans Licht in dem ich mich selbst als Frage definiere“.

                                                                                                                                                                            Haris Vlavianos

 

Blütenblätter – für B. (18.12.2024)

 

Ich nahm die Blütenblätter

deiner weit geöffneten Liebe,

warf sie in den reißenden Strom

eines wilden, ungeschliffenen Lebens.

 

Das Glas in der Hand

betrachte ich die saftigen Fenster,

wie sie langsam zurückfließen

in das dunkelrote Feuer,

 

dann treiben Blütenblätter

an mir vorbei und ich spüre –

die gestohlenen Jahre eines Herzens.

 

 

 

 

 

Gnadenlosigkeit der Zeilen (18.12.2024)

 

Ekstatisch aufs Papier geworfen

liegen vor mir

die wortgefassten Bruchstücke

fast verblasster Herzstürme,

doch die Feder zögert –

scheut die Zusammenführung.

 

Aus den Silben winden sich

suchende Hände, laszive Schenkel

und glühende Lippen, da

vermischt sich das Salz

vergangener Berührungen

mit der Gnadenlosigkeit der Zeilen.

 

 

 

 

 

Blatt im Sturm (16.12.2024)

 

Behutsam nähere ich mich

der Introvertiertheit des Schreibtisches.

Doch als ich mich setze,

schrecken die Gedanken wieder auf,

tanzen durch das größer werdende Zimmer –

wie Blätter im Sturm.

 

Meine Füße verlieren den Kontakt

zum Boden und die kleinen Arme

versuchen die Tastatur zu greifen.

In der Oberfläche des Monitors

spiegelt sich ein alt bekannter Raum.

 

In seiner Mitte ein kleiner Junge,

der zur Verwunderung seiner Eltern

nur aus der Kraft seiner Vorstellung heraus

einen authentischen Viermaster erschaffen hat,

in seiner Hand – ein Blatt gefangen im Sturm.

 

 

 

 

 

Die anderen Augen – a christmas story (14.12.2024)

 

Abseits der lichtdurchfluteten Plätze trottet eine

stumme Individualität unter seiner akustischen

Kuppel durch eine neue Art von Besinnlichkeit,

abgeschottet von befremdlichen Stimmen und

schwer übersetzbarem Gelächter. Vor ihm auf

dem dunklen, regennassen Weg schimmern

die Spuren vergangener Vertrautheit. Wie in

einem Kinderspiel setzt er seine Schritte auf

die schwindenden Wegweiser, versucht ihrer

einstigen Magie nachzuspüren, doch die Klänge

und Gerüche lenken seine Gedanken immer

wieder auf die Gegenwart. Manchmal läuft er

vorbei an bewegungslosen Augen, die auf

einsamen Bänken versunken in einem ähnlich

musikalischen Exil sitzen. Dann hält er inne und

beobachtet, wie sie sich ein kleines Bild aus der

leuchtend verträumten Welt schneiden, für ihre

ganz private Weihnachtszeit. Er folgt dem Fokus

ihrer starren Blicke und nickt sich lächelnd zu,

wenn er das Ziel ihrer Sehnsucht entdeckt hat.

Die introvertierte Romantik mit ihrer eigenen

schwer beschreibbaren Schönheit begleitet ihn

wie gewöhnlich ein Stück seines Weges.  In

regelmäßigen Abständen trifft er auf neu erstarkte

Gefühle, die sich mit der stimmungsvollen Zeit

synchronisiert haben – mögen sie überdauern.

Im Vorübergehen wagt er es kurz den Kopf zu

heben, dann scheint es, als berühre ihn vom tiefsten

Grund aller Erinnerungen eine Hand, doch er

vermag sie nicht zu fassen. In einer belebten Straße

fällt seine Aufmerksamkeit auf die dunkle Silhouette

eines Mannes. Regungslos steht er in unentdeckter

Entfernung vor den Fenstern der Restaurants, Bars

und Cafés. Er nähert sich der Gestalt, doch als

er sie anspricht, verschwindet ein gesichtsloser

Schatten in der Weite der in Watte gepackten

Anonymität. Fragen füllen seinen weiteren Gang,

entfernen ihn immer weiter von den Zeichen

dieser Zeit, bis ihn der einsame Weihnachtsbaum

unverhohlen aus der Starre zurückholt. Lieblos

geschmückt und mit einer lichtlosen Beleuchtung

versehen verharrt er am Rand der Festlichkeit.

Auch heute Abend fühlt er sich wieder mit ihm

verbunden und legt ihm seine neue gefundene

Besinnlichkeit auf die unbeachteten Zweige.

 

 

 

 

 

Irrwege (14.12.2024)

 

Ist das Streben nach Haben und Sein

nicht nur ein Pfad, der von dem

existenten Moment fortführt?

Ist das Beimessen von zu viel Bedeutung

nicht wie Emporheben der Worte

zu Götzenbildern? Werden sie dadurch

nicht zu Rechtfertigungen und Ausreden

eigener Unzulänglichkeiten?

Was ist von Bedeutung, wenn nicht –

das tiefe Luftholen der Gedanken,

ihr unbändiges, wildes Lachen?

 

 

 

 

 

Vom Halten der Liebe (10.12.2024)

Inspiriert durch Allen Ginsberg

 

Wer von Euch erhebt Anspruch

den Kreis des Lebens zu durchbrechen –

Kinder der Konformität?

Ihr werdet geboren, überlebt

und ihr werdet sterben.

Und für kurze Zeit sammelt und haltet

ihr die Liebe – doch was ist dies

anderes als Schmerz?

 

 

 

 

 

Im Kopf der Liebe (09.12.2024)

 

Über grüne Wiese tanzt und springst du selbstvergessen

gehüllt in ein weißes Kleid, welches lebt sich mit dir dreht.

Ich ruh im Gras, die Jahre einer Eiche in meinem Rücken,

während mein Herz sich einstellt auf deinen süßen Rausch.

 

Dann von Blüte zu Blüte nähert sich dein zeitloses Lächeln,

du lässt dich fallen, atmest heiß auf meiner schweren Brust

und während ich dir Blumen in den Kranz deines Haares flechte,

spür ich die Wildheit deines Herzens, das nach meinem sucht.

 

Du schließt mir die Augen, auf das ich deinen Kuss empfange,

doch auf meinem Mund nur kalter Wind, das Warten brennt

und im Erwachen kämpfen zitternd laut die Zeiger meiner Uhren

gegen das Vergessen der Sprache deiner klangvollen Lippen.

 

Zu meinen Füßen öffnet sich ein Pfad, ich springe auf und laufe

Richtung Horizont, in dem sich still dein weißes Kleid verliert

und folge dem Kopf der Liebe zwischen meinen eigenen Zeilen

auf der Spur deiner Schritte, die schon langsam verwehen.

 

Es gabelt sich der Weg, deine Zeichen, sie sind längst verblasst,

meine Füße schmerzen von deiner Suche – oder waren es Worte

gestickt auf dem Saum deines Kleides die ich zu finden gehofft,

doch ich halte nur meine Feder tropfend schwer in der Hand.

 

 

 

 

 

Das Urteil meiner Königin (03.12.2024)

 

Hand in Hand laufen wir über feuchte Wiesen und der kühle Tau

erfrischt die nackten Sinne. Das Tempo unserer Herzen kondensiert

in der jungen Morgenluft und die Flamme in der Tiefe der Haut

 

macht uns unempfänglich für das Urteil der Welt. Dann halten wir

inne, suchen in den Augen des anderen nach Antwort, doch da

ist nichts außer dem Moment und der Wahrheit. Auf den Knien

 

meiner Hingabe drückt die Königin mich an den Fluss ihrer Tränen,

während am Horizont das Schicksal zum Gruß die Hand erhebt.

 

 

 

 

 

Am Rand der Besinnlichkeit (02.12.2024)

 

Spürst du die Umarmung der Stadt?

Die Berührung ihrer Farben in den

Momenten, da du sie erwiderst?

 

Das Leben konzentriert sich auf

einige wenige Orte, macht Platz

für Stille am Rand des Geschehens.

 

Neben dir steht die Vergangenheit,

nimmt deine Hand, lauscht lächelnd

dem stillen Dialog der Akteure und

 

der Unterschied zwischen Schmerz

und Schönheit verschwimmt.

 

 

 

 

 

Weihnachtswunderstadt (01.12.2024)

 

Die unbegrenzte Autonomie meiner bunten Gedanken

lenkt meine staunenden Blicke durch eine Welt aus

Farbe und Schatten.

 

Mit jedem Schritt und mit jeder Kopfbewegung

offenbart die Stadt ihre Gefühle, zeigt unzählige

flüchtige Wunder.

 

Zum Beweis ihrer Verletzlichkeit legt das Leben

seine glühende Bordüre über die schwarze Silhouette,

erinnert die Stille.

 

Und jeder neue Ausschnitt aus dem weihnachtlichen

Gemälde kratzt an dem Haltbarkeitsdatum

geflügelter Herzwände.

 

 

Und dann nenn es einfach Liebe (30.11.2024)

 

Entferne dich von mir, weise mich zurück

und halte mich bis zum Ende aller Gedanken.

 

Dann lass mich fallen, zieh mich zu dir herauf und

wasche mir das Leben von der geschundenen Seele.

 

Zerreiße mich, füge mich zusammen und komplementiere

die Bruchstücke meines Schicksals mit deiner Zärtlichkeit.

 

Und wenn wir beide zweifeln, dann nehme sie an

meine Tränen in deinem Schoß und nenn es einfach Liebe.

 

 

 

 

 

Unvollendetes Liebesgedicht – Teil 4 (29.11.2024)

 

Mit geschlossenen Augen streife ich

durch das hüfthohe Gras unserer Gefühle.

Die zarten Halme unter meinen Händen

bilden das Echo deiner Worte, treffen

meine Haut wie der Kuss des Schmetterlings.

Am Ende der Wiese betrachte ich meine Hand,

suche auf der Lebenslinie nach einem Zeichen

deines schlagenden Herzens.

 

 

 

 

 

Unvollendetes Liebesgedicht – Teil 3 (24.11.2024)

 

Erinnerst du die unauffindbare Lichtung, als

meine Finger die Schrift deiner Haut studierten?

Auf der Suche nach Halt, zeichneten wir neue

Sternenbilder in den Nachthimmel und formten

das weiche Moos auf dem unsere Körper lagen

nach unserem Willen. Und als Du deine Hand

zurücknahmst hielt ich einen Monolog –

über einen Dichter, der von Liebe schreibt.

 

 

 

 

 

Unvollendetes Liebesgedicht – Teil 2 (23.11.2024)

 

Auf meinen Wegen fallen die leisen Blätter

bedeutungsvoller als jeder Atemzug. In meiner

Hand werden sie zu Bausteinen meiner Seele,

bilden die Saat unverschlüsselter Berührungen.

 

Ich gebe sie in deine Obhut, dann lass mich dir

die ängstlichen Worte von den Lippen küssen.

Ich nehme sie alle und hänge sie als Versprechen

über einen hoffnungsvollen Horizont.

 

Geh mit mir durch den schneebedeckten Wald.

Ich hinterlasse keine Spuren und kein Echo nur –

die Wildheit meiner Gedanken.

 

 

 

 

 

Unvollendetes Liebesgedicht (22.11.2024)

 

Der Kuss deiner Fingerspitzen zwischen meinen müden

Schulterblättern sät Oasen des Überlebens in die Wüste

meiner Emotionen. Zum Beweis ihrer Magie schreiben sie

 

ihre Geschichte auf die entlegensten Regionen meiner

Haut, bis die letzten Zeilen gefüllt sind. Als wir unsere

Herzen aufeinanderlegen trotzt der Gordische Knoten

 

unserer Hände jedem Zweifel und wir ergeben uns

der Sprache unserer rhythmischen Blicke. Neue Farben

füllen die Existenz und die Fruchtbarkeit unseres Atems

 

lässt eine unbekannte Welt erblühen. Lachend springt

das Feuer deiner Augen durch die Sanftheit ihrer Hügel.

Ich versuche dir zu folgen, da blendet mich der Morgen

 

und die Tränen der Nacht rinnen

über meinen regungslosen Körper.   

 

 

 

 

 

Weihnachtsgedicht 2024 (21.11.2024)

 

In den wiedererwachten Kirchen trifft sich

die saisonale Frömmigkeit.

Heiß fließt das hochprozentige Weihnachtsidol

durch die gut gelaunten Venen und

während man den Rest des Jahres über

seine schwere Existenz gejammert hat, kann

man nun guten Gewissens das Leben

mit vollen Händen ausgeben.

 

Das einzig Besinnliche sind die vielen

einsamen Gedanken, die mit scheuen Blicken

und gesenkten Köpfen durch die

inszenierte Idylle streifen.

 

Dabei ist jeder Stern, jede Kerze und jede

Lichterkette ein erhobener Zeigefinger.

 

 

 

 

 

Vogelgrippe (21.11.2024)

 

Gut siehst du aus! – Seifenblase

der Menschheit.

Stolperstein für jene,

denen die Empathie schwarz

unter den Nägeln klebt.

Und die Einfältigkeit wird

zur Vogelgrippe der Engstirnigen.

 

 

 

 

 

Leeres Erwachen (17.11.2024)

 

Ich liebte deine übermütigen Strähnen,

deine Augen, die aus dem Nest

deiner Nacht zu mir herüberschauten.

Das erste Lächeln – den ersten Kuss.

 

Dann wuchsen Welten zwischen uns

in einer anderen Sprache.

 

Noch heute wache ich auf und

streiche die verspielten Locken

aus der einstigen Vertrautheit.

 

 

 

 

 

Unruhige Herzwände (17.11.2024)

 

Ich wollte einfach in uns leben,

die Sekunden auf der Zuneigung zählen.

Doch die Ruhe war ohne Fundament

und die Rose – war niemals Rose genug für dich.

 

 

 

 

 

Libretto der Blicke (17.11.2024)

 

All die Jahre haben meine Finger

die Weite des Raumes ertastet,

haben die Lippen auf die

Fremdwörter deines Herzens gelächelt.

Je mehr Zellen sich schlossen,

umso stärker wurden die Pole,

bis die Umarmung physikalisch wurde.

Was blieb – war das Libretto unserer Blicke.

 

 

 

 

 

Der Weg (16.11.2024)

 

Ich höre die Rufe der Akteure,

die Stimmen der Dinge,

befreie sie von dem Gedankenefeu.

 

Aus der restlichen rohen Empfindung

meißle ich den verdichteten Klang

und am Ende der ekstatischen Reise

ist mir das Leben zwischen den Zeilen fremd.

 

 

 

 

 

Die Asche der Bilder (16.11.2024)

 

Kannst du sie sehen die erkalteten Blicke,

wie sie sich klammern an den Leib des Erinnerns,

und die Asche ihrer Bilder als dichter Niederschlag,

all die Schritte und Sekunden überzieht?

 

Wie zum Hohn fallen tausend alte Hüllen

und aus den Schatten treten neue Farben.

Mühsam kämpfen die gealterten Hände

gegen das Fallen der lautlosen Schicht.

 

 

 

 

 

Und im Dunkel ein Lachen (15.11.2024)

 

Heiß brennen sich die ungewollten Sekunden

durch die Objektive eines Bewusstseins.

Ihre stumpfer werdenden Linsen verlieren

langsam die Empfindlichkeit für die Schönheit.

 

In meinen Händen die unleserlichen Bruchstücke

einer Tonfigur, zusammengehalten –

durch den einen Faden.

 

 

 

 

 

Die müden Worte (14.11.2024)

 

In dem Moment, da ich ihre Bedeutung atmete,

meine Lippen den Klang ihrer Herkunft formten,

waren die Worte bereits entschwunden,

tropften als Kondensat von der feinporigen Haut.

 

Nun lege ich sie behutsam Nacht für Nacht

in die weit geöffneten Arme sicherer Zeilen,

warte auf ein Zeichen ihrer Vergebung

und auf die Ankunft der Resonanz.

 

 

 

 

 

Gleichnis (09.11.2024)

 

Hörst du das Vermächtnis der gefallenen Blätter?

Wie deutlich sich die dürren Adern zeichnen,

die Existenz in der Nähe ihrer Endlichkeit.

 

Ich halte den lodernden Abschied in meinen Händen,

ein Hauch von Leben wie zu dünnes Glas

und spüre in meinen Augen das Verblassen meiner Haut.

 

 

 

 

 

Aus der Dunkelheit (08.11.2024)

 

Fingerspitzen aus der Dunkelheit

wie Federn über nackte Haut,

tanzen Augen durch die leere Nacht,

suchen festen Halt im weiten Raum.

Im Erwachen gräbt die Feder sich

schwer in die Unschuld des Papiers,

vergibt bewusst dem Schrei der Hand

und aus dem Rücken tropft ein Traum.

 

 

 

 

 

Das Vergessen der Hände (08.11.2024)

 

Wenn alte Straßen Risse zeigen,

die Farbe lässt das Licht allein

und aus den Löchern vieler Himmel

tropft unaufhörlich frisches Salz.

Wenn Hände sich der Körper nicht erinnern,

nur graue Ränder, wo einst Bilder hingen

dann meißelt stumm ein kaltes Lachen

einst vertraute Namen in den Stein.

 

 

 

 

 

Keinen Namen (02.11.2024)

 

Eines Tages, wenn

du meine Hand nimmst,

werde ich Abschied nehmen

von der Sprache.

 

Und anstelle des Namens

soll geschrieben stehen:

„Er hat jeden Vers gelebt“.

Ich nehme dein Schweigen (31.10.2024)

 

In den tiefen Rillen

deiner zustimmenden Stille

spüren mich meine Fingerspitzen.

 

Während ich deinem Schweigen

meine Hoffnung hinzufüge

offenbart sich in den Berührungen

die Schönheit menschlichen Versagens.

 

 

 

 

 

Die Frau in Schwarz (28.10.2024)

 

Als sie den Saal betritt scheinen die Seelen der Anwesenden

auf Zeitlupe zu stehen, fällt ihre Hautfarbe ins Grau und ich lerne,

dass Schwarz leuchten kann. Die scharf geschnittenen Züge

 

ihres Gesichtes sondieren den Raum, stehen in Symbiose mit

den sanft geschwungenen Konturen ihrer Silhouette. Das dunkle,

schulterlange Haar beherrscht die Eleganz ihrer Anwesenheit.

 

Im Näherkommen spüre ich die Anziehungskraft ihrer Welt.

Die Kühle ihrer Bewegungen schwingt sich durch meine Zellen,

zieht über meine Haut, wie der Hauch einer Fingerspitze und

 

schreibt mit jedem Schritt Poesie auf den Boden der Gegenwart.

Ihre Erscheinung hält meiner Sprachlosigkeit den Spiegel vor, offenbart

die Unfähigkeit meiner noch jungen Worte und die Blässe meiner Klangbilder.

 

 

 

 

 

Befreiungsschlag (28.10.2024)

 

Wie ein Befreiungsschlag für zvilisationsbetäubte Ohren

schallen Trompeten durch die Stille der Gedankenruinen,

lassen den Moment vibrieren und das charaktervolle

 

Herbstlaub aufgeregt flüstern. Das Herzradar steht auf ON

sucht im Azur nach den gefiederten Bläsern, verstummt

im Angesicht der geometrischen Perfektion ihrer Gemeinschaft.

 

Ihr schwerelos anmutender Flug unterstreicht die Schönheit

einer sonnenverwöhnten Oktoberlandschaft. Die ruhigen

Schläge ihrer weiten Schwingen tragen die Sehnsucht

 

auf ihren Schultern, verlängern – die Existenz der Sekunden.

 

 

 

 

 

Fragile Gebilde (24.10.2024)

 

Auf den ausgetrockneten Seiten klangvoller Jahre

liegen die Bindeglieder der Koexistenz, verletzlich

wie gefallenes Herbstlaub. Irren durch den Atem

 

der Welt, ohne Immunsystem. In dem reißenden Strom

der Zeit versuchen sie ihre Integrität zu bewahren,

während sie auf ihren Schultern die Last ihrer Bedeutungen

 

tragen. Wie können sie bestehen, wenn sie unentwegt

wandeln auf dem schmalen Grat zwischen Licht und

Dunkelheit, ohne jemals den Halt liebevoller Berührungen

 

zu spüren? Münder – nichts als Schrecksekunden auf der

Filmrolle des Universums, während die Worte leichtfertig

ihren Platz einnehmen – neben der Unsterblichkeit.

 

 

 

 

 

Widerstandslose Sekunden (22.10.2024)

 

Die Vorsicht blickt in das Gesicht einer verbotenen Gegenwart, hält die

Seiten süßer Erinnerungen verschlossen. Vorsichtig versucht sie die Silhouette

unter dem anwesenden Gefieder zu formulieren, während der Wind an den

 

Grenzen nicht greifbarer Sekunden zerrt. Dann einer Vorahnung gleich

tragen Wellenrücken die Fragmente einer nie versiegten Sehnsucht zu den

wiederholungsmüden Zellen, flüstern von Neugier. Unablässig rhythmisch

 

schlägt die See geformte Botschaft an die spröden Mauern der Vernunft,

erhebt sich zum Rauschen, untergräbt ihr Fundament mit dem Mantra der

Versuchung. Kraftlos ergibt sich das angeschlagene Bollwerk, öffnet der

 

Vorstellungskraft das Tor, die mit geschickten Fingern auf den verstaubten

Herzfasersaiten spielt. Der Wind ergreift die Melodie, besteigt das Podest und

erweckt sein Pheromon besetztes Orchester, setzt an zu einem salzgetränkten

 

Crescendo. Richtungsweisend hebt er die Hand, streicht provozierend vorbei

an den dürstenden Wangen zu den unschuldigen Federn, die wie Locken

verspielt unter seiner Berührung tanzen und der ungeübten Iris ein neues

 

verführerisches Weiß präsentieren. Unter der hellblauen Dominanz des

Momentes flattern die Augenlider wie Fahnen im Sturm, versuchen die

aufblitzenden Realitätssplitter zu einem Abbild der Wahrheit zu formen.

 

Doch der Funke ist unwiderruflich entzündet und die Revolution der Hormone,

hat ihren Marsch auf die letzten standhaften Neuronen begonnen. Der Klang

ihrer Schritte hallt bis in die tiefsten Winkel lang vergessener Fasern, verwischt

 

die Konturen auf der Leinwand der Wahrnehmung. Und während das Publikum

bereits die Zugabe fordert, ist der Wind schon lange gegangen, treibt auf dem

Meer ein Name aus gebrochenen Federn und das Leben hinterlässt im Sand –

 

ein ungelesenes Postskriptum.

 

 

 

 

 

Auf meinem Gesicht (18.10.2024)

Ein Liebesgedicht an die Sehnsucht

 

Die Haut des Flusses erliegt den Anspielungen der Sonne,

vibriert unter ihren Verführungskünsten. Eng umschlungen

tanzen sich beide in die Bedeutsamkeit, füllen die Zellen

 

der Gegenwart mit dankbaren Bildern. Auf meinem Gesicht

liegt ihr goldener Zuspruch, buchstabiert Zärtlichkeit wie eine

erste unsichere Berührung, drückt mich vorsichtig in die

 

Zuneigung der Stadt und befreit den Atem der Erinnerung.

Schulter an Schulter liegen die verträumten Segler in der

sanften Stimmung. Ihre hölzernen Wangen glühen unter

 

der Intimität des Moments, fluten die Herzkammerspeicher –

mit lebensbejahender Sehnsucht.

 

 

 

 

 

Der offene Blick (12.10.2024) eine Verneigung vor Elisabeth Oltzen

 

Emporgehoben

aus dem Überfluss

erläutern offene Blicke

den Unterschied zwischen

HABEN und SEIN.

 

 

 

 

 

 

Herzleinwände (12.10.2024) eine Verneigung vor Elisabeth Oltzen

 

Der nächtliche Weg durch

die farbenverträumte Stadt

füllt meine Herzleinwände

mit Bildern der Bedeutsamkeit.

 

 

 

 

 

Vom Schlendern (10.10.2024)

 

Heute sind die Schritte lichtdurchflutet,

erheben Anspruch auf die Gegenwart.

Die Iris blickt Azur getränkt und die Haut

atmet herbstlich süße Endlichkeit.

 

Farben weichen überall den Stunden,

unausweichlich klingt ihr müder Fall.

Und während sie sich zur Ruhe legen,

bleibt dankbar nur ihr schwerer Duft.

 

Heute erinnern sich die Kammern

der Wahrheit hinter all den Formen

in Demut neigt sich still das Haupt

dankbar für jeden ihrer Atemzüge.

 

 

 

 

 

Das neue ICH (04.10.2024)

 

In den Straßen der Zwischenmenschlichkeit stolziert

ein neues ICH. Sein unablässiger Tanz auf der Oberfläche

ist der Treibsand für die Wahrnehmung, nagt an den

 

Wurzeln der Realität. In seinem Glashaus erschafft es

Welten aus bedeutungslosen Farben, verliert sich

in einer seelenlosen Schönheit, in der das Spiegelbild

 

jede Frage mit ja beantwortet. So verstreichen die Sekunden

unwiderruflich, in denen der Kern verkümmert, bis auch der

hellste Glanz sein Wesen – nicht mehr zu verbergen mag.

 

 

 

 

 

Die vergessenen Worte (04.10.2024)

 

Sind die Menschen taub geworden?

Der Atem unserer Gegenwart ist gefüllt mit

dem klaren Echo fundamentaler Worte. Doch

ungehört verhallen sie neben den mutierten

Geräuschen zu lauter Großstadtmelodien.

 

Sind die Menschen blind geworden?

Die Wege der Menschlichkeit sind gepflastert

mit der gemeißelten Stabilität ewiger Gedanken.

Doch achtlos werden sie umgangen, verstauben

in dem Schicksal dekorativer Platzhalter.

 

So verliert die Weisheit ihre Substanz in den Winkeln

unzähliger Realitäten und während sich der Glanz

der Wahrheit kraftlos den übersättigten Lichtern ergibt,

bleibt doch die Hoffnung, dass die Worte eines Tages

auferstehen und ­– die Schwerter ersetzen.

Atemübungen (22.09.2024)

 

Die Aorta der Stadt ist gefüllt mit emsiger Konformität und dem

unablässigen, monotonen Surren ungefilterter Gedanken. Doch

abseits des Stroms führen die alten Gassen und Giebel einen

 

Dialog mit dem Schweigen, bemühen sich um Wahrheit. Der Staub

der Gegenwart liegt dicht auf den Lungenflügeln meiner Empfindungen.

Zielgerichtet lenken sie die Schritte aus der steinernen Umarmung,

 

führen zu den Ankerplätzen frei zugänglicher Inspirationen. Dort stehen,

wie unbesetzte Stühle in einem leeren Zimmer die arbeitslosen Hafenkräne

in ihrer Vergangenheit – Spiegelbilder eines unfreiwilligen Weges.

 

Die Schönheit ihrer in sich ruhenden Individualität liest sich wie eine

Anleitung für Atemübungen. Dazu die alten Segler unbeachtet wie eine

Anthologie hölzerner Märchen. Die Dichte ihrer Geschichten erdet

 

die unsteten Neuronen. Hört man genau zu, kann man die tiefen

Atemzüge ihrer Jahre vernehmen, spüren, wie sie die Lungen füllen –

mit der Klarheit frisch gelüfteter Bilder.

 

 

 

 

 

Das neue Licht (16.09.2024)

 

Die früh morgendlichen Fußspuren der Sonne hinterlassen

eine Zärtlichkeit auf der Haut des Uferweges, verändern

den Rhythmus der Schritte. Ihre Geschichten aus Licht und

 

Schatten erhöhen die Sekundenzahl der Stunden, erzählen

das Märchen der Bedeutungslosigkeit. Noch bewahren

sich die Bäume ihre Erinnerungen an den Sommer, ziehen

 

letzte Inspirationen aus der gefälligen Septemberwärme

für den kommenden Abschied und das aufkeimende Dunkel.

Wieder einmal liegt eine neue Ruhe im Licht. Sie wird begleitet

 

von einem nachdenklichen Unterton, der mit seiner Zurückhaltung

der Stadt mehr Zeit einräumt, zu erwachen und zu lauschen –

den unwiderlegbaren Argumenten des Lebens.

 

 

 

 

 

Die Haut der Steine (16.09.2024)

 

In der Auferstehung liegt etwas Reines, etwas Ehrliches. Doch

der Kampf um die neue Stimme ist auch Nährboden für Schatten

und ihren schmalen Grat in die Kälte. Sie wachsen, wenn Wunden

 

die Haut der Steine annehmen, die Sprache zum Strudel ihres Selbst

wird und das Bewusstsein sich ins Zentrum des Universums verschiebt.

So weitet sich der Raum zwischen den Wörtern, öffnet das Bodenlose

 

und die Wärme stürzt in den tonlosen Raum – bevor sie zur Rückkehr ruft.

 

 

 

 

 

Das Urteil (13.09.2024)

 

Mit weit aufgerissenen Augen verstummt das

ambivalente Satzzeichen, als der Richterspruch

den vernebelten Saal mit seiner Klarheit durchbricht.

 

Die Spuren in den einst blühenden Wiesen, die

das Verfahren hinterlässt, sind nicht zu übersehen.

Tiefe und breite Furchen, die den fruchtbaren Boden

 

verdichten. Selbst der Eine schien sich zu verlieren,

als aus dem Nichts ein Nebenkläger die Bühne betrat.

Doch das Urteil ist gesprochen und es heißt Zukunft.

 

Wird sich das Blut erholen von der Übersäuerung

der Vorwürfe? Wird es Erneuerung geben für die

letzten Bruchstücke des Mosaiks, die den ständigen

 

Steinwürfen standhielten? Die Teer befleckten Hände

sind gesäubert, doch die Kammern sind gefüllt mit

dem bitteren Nachgeschmack zu schneller Worte.

 

 

 

 

 

Falsch verstandene Symbiose (12.09.2024)

 

Wieder einmal führt mich der Kanal an der kurzen Leine,

bleibt seiner Linie treu – stringent, immer geradeaus

und während die Zivilisation durch Abwesenheit glänzt,

haften sich letzte Banalitäten an meine Großhirnrinde.

 

Der erste Kontakt mit einer verwitterten Existenz rückt

die Gegenwart in ein neues Licht, zeigt akrobatische

Wetterboten, die unbeschwert ihre Spiegelbilder jagen.

Ihr hypnotisches Spiel verlangsamt das übersäuerte Blut.

 

Die schuppige Gleichgültigkeit saugt sich Köstlichkeiten

aus dem Abbild des Himmels, während ein halsloser Segler

mir die Thermik beweist. In bodennaher Leichtigkeit sondiert

er das kulinarische Angebot. Beim Lösen der Betrachtungen

 

bleibt alles Überflüssige hängen an dem unscheinbaren

Refugium und der erneute Weg, er scheint bergab zu führen.

Immer wieder öffnet sich die Vergangenheit, zeigt ein Land

vor unserer Zeit, als die Bedeutsamkeit noch keine Rivalen hatte.

 

Ihr Besuch lässt die Assimilation voranschreiten. Mit stoischer

Ruhe praktizieren Langhörner die meditative Gegenwart, das

Mahlen der Kiefer als Gegenstand ihrer Existenz und über mir

zentriert eine Königsweihe den überbevölkerten Blick, die Sonne

 

im Gefieder schreibt sie die Sehnsucht in das Blau und

gebetsmühlenartig flüstert das rhetorisch begabte Schilf –

wer braucht hier wen?

 

 

 

 

 

Wo bleibt der Blick zurück? (09.09.2024)

 

Spät sind wir dran, laufen fast schon völlig selbstverständlich

dem eigenen Loblied hinterher. Schnell waren wir nur im

Errichten der Eitelkeiten. Immer größer haben wir sie gebaut,

 

uns die Sicht versperrt. Haben sie mit mehr Glanz überzogen

und so das eigene Sehen verbrannt. An den Grenzen unserer

selbst konstruierten Welten hängen die Worte der anderen

 

im Stacheldraht, bluten ihre Bedeutung in den gerodeten

Waldboden. Trotz der fortschreitenden Unfähigkeit unserer

Ohren zerstückeln wir weiter die Möglichkeiten der Sprache,

 

zerstören ihre Schönheit, die sanften Hügel ihrer heilenden

Idylle. Ohne zurückzuschauen flogen wir die Leiter hoch,

setzten uns die Krone auf, während am Boden

 

die Herzen kauerten. Könnten die Tiere lachen – wir würden

die Schreie der Überlebenden nicht hören.

 

 

 

 

 

Das zwischenmenschliche Drahtseil (07.09.2024)

 

Der langsame Verfall der Stille hat begonnen, denn

ihre Antworten sind schonungslos, stellen die Existenz

infrage. Belanglosigkeit füllt die Stundengläser aus Angst

 

vor ihrer Stimme und der Wahrheit leiser Sekunden. Ihre

Abwesenheit spannt unaufhörlich das zwischenmenschliche

Drahtseil, stellt seine Festigkeit auf die Probe. Und so bluten

 

wir weiter aus der Vergangenheit, die im Nebel kauert, uns

an das Flächenland kettet, während das Spiegelglas

immer mehr an Glanz verliert. Doch wer frei von Schmerz ist,

 

der schreibe ein unsterbliches Gedicht, berichte der Welt

von der Zusammenführung der Teile. Der Rest wird verraten durch

die Höhe seines Lachens und der Lautstärke seiner Sätze. Denn

 

nichts als Wissen bedeutet nichts zu wissen, solange die Erlösung
wieder und wieder über den Horizont stolpert und die Tür –

in die nächste Dimension verschlossen bleibt.

 

 

 

 

 

Die Kuppel (01.09.2024)

oder die Hand in der Ferne

 

Die Welt verschwimmt unter der Kuppel der Sterilität.

Bereits nach wenigen Stunden verlässt das letzte Individuum

die Gefilde des Greifbaren, fällt in die Gleichförmigkeit.

 

In der Dämmerung des Bewusstseins schlägt die Tür unaufhörlich.

Stimmen ziehen durch die Wahrnehmung, deren Echtheit

die letzten Fragmente der Sinne auf die Probe stellen.

 

Durch die Flure hallen die digitalisierten Rufe hilfloser Nummern

und das roboterhafte Atmen einer Silhouette wird zum Mantra

des Wunsches nach Auferstehung – füllt die Sekunden.

 

Die geöffneten Hände prallen ab an dem leblosen Körper

eines vernebelten Versprechens, verlieren ihren Halt. Der bittere

Nachgeschmack ergießt sich in die tiefsten Winkel der Existenz.

 

Und als der Abschied das Gepäck schultert, öffnen sich die Flügel

und der erste Schritt hinaus aus der Kuppel beendet das Mantra.

Dickflüssiger Montag (15.08.2024)

 

Meine Blicke hängen sich an die träge Saat der Bäume.

Auf dem Weg ihrer Bestimmung verlieren sie den

luftigen Weg, folgen dem Gemütszustand des Tages.

 

Wolken, flach und langgezogen, schleichen unmotiviert

über einen selbstvergessenen Himmel, ihr Schauspiel

verlangsamt die Arbeit der Synapsen. Einzelne gedämpfte

 

Vogelstimmen halten das Spiel am Laufen und von der

benachbarten Straße klingen die Autos gequält, als pfeifen

sie aus dem letzten Rohr. Aus meinem Frontallappen tropft

 

zäher Buchstabenhonig, klebt meine Motivation an den

Grundriss des Balkons und in den Straßen liegt das Leben

scheinbar ausgelaugt, wie nach einer durchzechten Nacht.

 

Im Stillen zählt der Montag seine Sekunden – wartet

auf die lang ersehnte Ablösung.

 

 

 

 

 

Uneigennütziger Sommer (14.08.2024)

 

Den Gedanken freien Lauf lassend liegt der Abend

weit ausgestreckt in einer widerstandslosen Stadt.

Der Sommer hat zum Stelldichein geladen, nutzt die

 

Gunst der Stunde, um die Gefühle winterfest zu machen.

Selbstverliebt streift er durch die Parks, in denen sich bereits

die verstreuten Intimitätsoasen seiner Sprache ergeben.

 

Wer sie annimmt, kann sehen wie er neben den aus Lippen

geformten Träumen liegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt

und dem Klang der Berührung lauscht. Verschmitzt lächelnd

 

träufelt der Hofnarr des Lebens seinen Herzschlag auf ihre Lider

in der Hoffnung, sein Zauber möge seine Abwesenheit überdauern

und nicht enden – als saisonales flüchtiges Flackern.

 

Und wieder einmal flüstert der Sommer ganz uneigennützig

seine verloren gegangene Botschaft in die Ohren der Zukunft.

 

 

 

 

 

Kopflastige Überdosis (07.08.2024)

 

In dem Hinterfragen des eigenen Denkens

liegt die Unversehrtheit seelischer Weite

und der Schlüssel für die Tür zum Wahn.

Wie kann ich dann dem Licht vertrauen,

der Leuchtfeuer, die ich selbst entzünde?

 

So füllt mein starres Nichtsein unaufhörlich

den Raum zwischen Existenz und Horizont.

Und die Klinge meines Sehens, sie wird müde,

vermag der Hydra kaum mehr zu trotzen,

die den Weg versperrt in das tiefe Blau.

 

Wie ich ihn vermisse, den stummen Dialog

in langen Nächten mit vertrauten Sternen.

Ihre Antworten, sie blieben niemals fern

genau die, die ich niemals hören wollte.

 

 

 

 

 

Unter der Stille (05.08.2024)

 

Im Erschaffen der Verse liegt eine Stille,

sie füllt meine Sehnsucht mit ihrer lautlosen Sprache.

Doch ist sie verhallt, folgt der Hunger nach mehr

und die Frage nach einer Existenz unterhalb ihrer Weite.

 

Mit weit ausgestreckten Armen liege ich rücklings

auf dem kleinen Refugium, treibe in der Güte des Wassers.

Die Blicke verlieren den Halt im Azur, folgen der Sehnsucht des Ikarus

und ich falle in die Antwort, falle in die Tiefe einer neuen Sprache.

Mein Beitrag (22.07.2024)

 

In meinem Hirn tummeln sich die Reize

wie Touristen in überfüllten Einkaufsstraßen,

blockieren meine Sicht, mein Gespür

wie die Schnäppchenjäger die Wühltische

in der letzten Phase eines Schlussverkaufs

und auf der Leinwand explodieren die Bilder

in einem Blitzlichtgewitter, bevor die Farben

ihren Sinn und ihre Schönheit entfalten.

Die Neurotransmitter machen Überstunden,

stauen sich an der Mautstation der Synapsen,

die verständnislos die weiße Flagge hissen und

für die Erweiterung der Bahnen demonstrieren.

Bleibt zu hoffen, dass die emsigen kleinen Bienen

ohne Gewerkschaft niemals den Streik für sich

entdecken – wer sollte sie beschwichtigen?

Das Gehör erzittert, windet sich unter dem

unaufhörlichen Ansturm flacher Wirklichkeiten.

Gleich einem Sandsturm schneidet sich ihr Ton

durch die Haut meiner Empfindungen, hängt sich

wie ein Parasit an die zwischenmenschlichen Fasern.

 

Nun lassen sie sich einmal kurz verführen, ja

in die Arme schließen von der folgenden

Vorstellung: Das Leben – ist ein Sommerkleid.

Wie angenehm leicht, geradezu lächelnd trägt

sich nunmehr der Alltag. Das beschwingt luftige

Wesen verhindert das Überhitzen der Gemüter,

hebt ihre Gedanken über die Mauern einer

grobmaschigen, monochromen Welt. Seine weiche,

fein gewebte Umarmung stimuliert die Zellen,

macht sie empfänglich für Nähe und Berührung

und die fröhlich schwebenden Farben und Muster

veröden den Zugang zur Gier, öffnen den Blick

für die Bedeutung und den Wert der Schönheit.

 

Das Leben ein Sommerkleid – mein Beitrag

zum Weltfrieden, dazu die Luft verwoben

mit einem Hauch von knisternder Intimität

und im Glas das sexy Gewand

eines sinnlichen Rosés.

 

 

 

 

 

Der Eine – Aufziehende Kreise (11.07.2024)

 

In den wenigen windstillen Momenten,

da die Akteure in ihren stillen Kammern

ihre viel kritisierten Rollen optimieren,

dringt der verlorene Ruf der Gegenwart

an mein bühnenerprobtes Gehör,

dann schimmert schwach der Pfad

zum Ufer ihrer wartenden Erkenntnis  

durch das wuchernde Gedankendickicht.

Vorsichtig folge ich meinen alten Spuren

nicht zu schnell, sie nicht zu verschrecken,

bis ihre Anwesenheit meine Füße benetzt.

Ein letzter prüfender Blick in die Wipfel,

dann betrachte ich die Quelle der Achtsamkeit,

schaue hellwach auf die gelebten Jahre,

dem Spiegelbild bewegter Erinnerungen,

hoffend, dass sich ein Name offenbart.

Doch bevor er die Oberfläche durchdringt,

er zur Wahrheit wird, frischt der Wind auf,

belebt die Gestade und es fällt ein Stein.

Seine aufziehenden Kreise verzerren

das Gesicht, verwischen den Pfad und

das Ende eines weitverzweigten Weges.

Im Hintergrund – der Eine jongliert

im Clownskostüm mit vertrauten Bildern.

Seine stummen traurigen Lippen formen

die schon lang erahnte Antwort und

vor ihm türmen sich wartend die Kiesel.

 

 

 

 

 

Der Eine – Der ewige Roman (06.07.2024)

 

Und der Eine – der aus sich selbst agiert

er tritt diese Tage ins Licht und schweigt.

Er – der einer unter vielen und doch alle ist

Er – der zwischen den Gedanken spricht,

betrachtet den Richterspruch und schreibt

an der Fortsetzung seines ewigen Romans.

Das Gewicht seiner Werke liegt schwer

in den verzweigten Regalen unserer Jahre

und ein Beben erfasst die fragile Struktur

fügt er ungefragt einen neuen Band hinzu.

Die Übersetzung seiner Sprache fordert viel

von dem Sand in meinem Stundenglas,

denn die Quelle seiner Feder – sie versiegt nie

tränkt das gierige Papier ohne Unterlass.

Und scheinbar unbeschadet hat die Kraft

seines Wirkens die Zeit wohl überdauert,

doch seine Stille formuliert Veränderung –

zeigt einen Hauch von Wir in seinem Blick.

Und die neuen Zeilen legen sich wie Finger

auf die tiefe Landkarte meines Lebens

und die Schwere seiner ersten Berührung

entblättert Nacktheit – ein neues Gesicht.

 

 

 

 

 

Das Weiß der Blüte (02.07.2024)

 

Auf der Suche nach einem sicheren Ufer

schwimmen die Gedankenfetzen

durch ein Meer toter Sekunden.

In der Ferne immer wieder – das Edellieschen.

Seine Vollkommenheit füllt den Balkon,

befeuert das Verlangen nach Antwort.

Das Weiß der in sich ruhenden Blüten

formuliert den stummen Wunsch

einer Schatten befleckten Gegenwart.

Dehnbarkeit des Nichts (15.06.2024)

 

Der Blick durch die Balkontüren steht still

addiert die Befindlichkeit der Bäume.

Unter der Aufdringlichkeit des Regens

lassen sie ihre Schultern hängen.

 

Die Gravitation des Sofas hat zugenommen,

zieht meine Sicht in die Schwere der Polster

und meine Jahresringe auseinander.

 

Hinter der regengetrübten Iris

schwirren Worte wie Fliegen um das Aas.

Ihr fortwährendes monotones Surren

verhindert den Fokus aufkeimender Bilder.

 

Der Mangel an Bedeutung legt sich 

wie ein Schleier über die Fragmente der Welt.

Aus den Bücherregalen tönt das Schweigen.

Die Teilnahmslosigkeit ihrer Bewohner spricht Bände.

 

In der Unordnung meiner Möglichkeiten

nicht die kleinste Spur eines Lesezeichens

und die Leere des Blattes beansprucht

für sich die Gegenwart.

 

 

 

 

 

Leere Seiten (08.06.2024)

 

Im Hintergrund der Bühne

hängen die Rollen der Akteure

aufgereiht wie vergessene Anzüge

einer geschlossenen Wäscherei.

 

Die Zeigefinger der Intendanten

schreiben ihre Erwartungen in den Raum,

wie Absperrband ziehen sie sich

um die knarrenden Dielen.

 

In einer Ecke, der Eine

sucht nach seinem Text,

doch die Teer befleckten Hände

ziehen nichts als leere Seiten

aus den ausgebeulten Taschen.

 

Eine Sekunde hat 60 Minuten

und auf den Telepromptern

blinkt tempus fugit.

 

 

 

 

 

Im Gewühl der Jahrzehnte (04.06.2024)

 

Das süße Pendel der Weiblichkeit

schwingt sich durch die Klarheit

einer lichtdurchfluteten Idylle.

Vertraute Worte schmiegen sich

in verspielt zärtlichen Berührungen

an die Erinnerungen der Konturen.

Worte in ihrer unbeschwerten Jugend

frei von dem Gewicht eines Lebens.

Mit stummer Last greift die Sehnsucht

nach der flüchtigen Intimität,

doch das Pendel treibt die Zeit

und so rinnen ihr die Worte durch

die Schwere der geöffneten Finger.

In der Stille des Zimmers (30.05.2024)

 

In der Stille des Zimmers

entstehen Welten

abseits alles Irdischen,

kämpfen unbewusst

um den Erhalt

der kindlichen Seele.

Sie lacht, versteht noch nicht,

wie das Laub fällt

und den schmalen Pfad bedeckt.

 

Jahrzehnte später entstehen

in der Stille des Zimmers

Welten abseits alles Irdischen …

 

 

 

 

 

Ungewiss (30.05.2024)

 

Dort, wo die Mannschaft

das Spiel am Laufen hält,

legt der Unparteiische

die Regeln auf die Goldwaage.

 

Ich warte auf die Einwechslung,

denn die Anzeigetafel steht noch

auf unentschieden.

 

 

 

 

 

Und in der Ferne stand ein Leben (29.05.2024)

 

In den vielen Sommernächten lauschte

die alte Eiche der unausgesprochenen Zukunft,

erträumte in stummen Versen die Unversehrtheit,

umarmte mit weit ausladenden Ästen das Refugium.

 

… und in der Ferne stand ein Leben,

während die Unschuld ein Lachen weinte.

 

Deine Augen suchten unter der Haut

nach der Formel für bedingungslose Intimität.

Deine Fingerspitzen verfehlten das Tor der Zellen,

stießen auf nackte Worte, lösten nicht die Gleichung.

 

… und in der Ferne stand ein Leben,

während die Unschuld ein Lachen weinte.

 

Das Lied blickt zurück auf ein Leben,

dem Anfang eines Kampfes um Ursprung,

pulsiert um die ungefüllten Stellen des Rätsels

brennt sich süß und heiß durch die dürren Fasern.

 

… und in der Ferne steht ein Leben,

während die Unschuld ein Lachen weint.

 

 

 

 

 

Und jetzt ist alles (29.05.2024)

 

Die Räume deines Herzens sind gefüllt

mit dem Rausch verlorener Berührungen

mach es frei – denn jetzt ist einfach alles.

 

Und jeder Zentimeter deiner Haut zeigt,

die Entscheidungen pulsierender Momente

berühre sie – denn jetzt ist einfach alles.

 

Die Furchen in den Feldern der Erinnerung,

sie sind tief und der Grund weich vom Blut

fülle sie – denn jetzt ist und bleibt einfach alles.

 

 

 

 

 

Fragen zur Rotation (29.05.2024)

 

Sind das Silber und Gold

nur noch billige Legierungen

einer inflationären Verständigung?

Betrachtet man ihren aktuellen Kurs,

bleibt der Gewinn allmählich aus.

 

Wenn weniger mehr ist,

warum nicht in diese Aktie investieren?

 

Und wenn das Ganze mehr ist

als die Summe seiner Teile,

warum bleiben so viel Areale ungefüllt?

 

Die Fragen verblassen

in der unaufhörlichen Dominanz

der Rotation.

 

 

 

 

 

Spurensuche (26.05.2024)

Inspiriert durch Jacques Dulon

 

Da liegen die ausgedörrten Felder

beraubt der Erinnerung

an überschwängliche Ernten.

 

Unaufhörlich zieht die Feder

durch die trockene Erde,

lockert den Grund auf der Suche

nach überlebendem Saatgut,

einem Zeichen der Fruchtbarkeit.

 

Doch die Erde bewahrt das Blut

und die Feder verliert ihren Schliff

an den achtlos zurückgelassenen

Gesteinsbrocken.